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Reiterei und Fußvolk in der Weise her, daß jedem Reiter ein behender, leichtbewaffneter Jüngling beigegeben wurde, der, an der Mähne des Pferdes sich festhaltend, mitlief und so beim Angriff schnell mit vor die Front des Feindes gelangte. Später ging die Reiterei an Zahl zurück, was zum Teil darin begründet sein mochte, daß bei der Ausdehnung des Ackerbaues das Pferd als Zugtier benutzt und militärisch unbrauchbarer wurde. Auch wird nach Einführung des Christentums, das die Pserdeopfer verbot und das Pferdefleischessen als heidnisch bezeichnete, der Pferdebestand zurückgegangen sein.
Die Kämpfer unterstanden dem Besehl des Gauobersten. Da aber jeder Führer eifersüchtig über seine Stellung wachte und keiner dem andern sich unterordnen wollte, so fehlte in der Heeresleitung oft die notwendige Einheitlichkeit. Durch mancherlei Schlappen belehrt, wählten sie daher für einen Feldzug aus den verbündeten Gaukönigen einen ober auch zwei Oberfeldherren, Herzöge genannt. Die Wahl und die bamit verbunbene Erhebung auf den Schilb erfolgte in der Volksversammlung. Nach beenbetem Felb-, zuge mußte eiu solcher Oberselbherr seine Amtsgewalt nieberlegen; berat wie auch das Beispiel Armins lehrt, argwöhnte man allzuleicht ein Streben nach größerer Herrschaft, und beirt trat man auf jebe Weise entgegen. Der Gehorsam gegen die Führer war daher in der ältesten Zeit gering; die tollkühne Kampfeslust ließ sich durch Befehle nicht einbämmen. So verbot z. B. Armin seinen Cheruskern die Bestürmung des festen Römerlagers; sie taten es trotzbem und würden blutig zurückgeschlagen.
d) Kampfesweise. Für den Angriff in der Schlacht nahm man in Keilform Aufstellung; die Spitze bilbete der König und sein Gefolge, baran schlossen sich die Geschlechter des alten Volksabels und dann in breiter, anschwellenber Reihe die Gemeinfreien. Die Anwenbung der Keilform war verschieben. Bei geringer Stärke des Heeres und bei einem durch Bergzüge eingeengten Kampfplatz würde die gesamte Mannschaft in einem Keil vereinigt. Im offenen Gelänbe hingegen stauben mehrere berartige Angriffshaufen nebeneinanber, und bei Vereinigung mehrerer Völkerschaften im Kriege bilbete jebe einen besonberen Keil. Jeber hatte seine eigenen Felbzeichen, wozu namentlich Tierbilber (Bär, Eber) verwenbet würden, die man im Frieden in heiligen Hainen aufbewahrte.
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aber jeder Mord neue Rache erforderte, entwickelten sich daraus nicht selten endlose Fehden, bei denen ganze Geschlechter der Vernichtung anheim fallen konnten. Die darin liegende Gefahr für das öffentliche Wohl scheinen die Germanen früh erkannt zu haben, sie beschränkten daher die Blutrache aus den Täter oder einen kleinen Verwandtenkreis und ließen bald auch an ihre Stelle eine Vermögensbuße treten. Doch hielt die Neigung, Blutrache zu üben, noch lange an. Nicht selten waren es gerade die Frauen, die die Männer zu blutiger Tat anspornten. So wird berichtet, daß eine Mutter ihren Söhnen Kieselsteine zum Frühstück aus den Tisch legte und sagte: „Solche Steine müßt ihr statt des Herzens in der Brust tragen, daß ihr euren Bruder noch uugerächt draußen auf dem Felde liegen laßt!" Auch in Kriemhild tritt uns die leidenschaftliche Lust zu blutiger Rache deutlich entgegen.
Den Fehdegang bevorzugte man oft auch deshalb, um sich nicht nachsagen zu lassen, daß man durch Empfang des Wergeldes ein Geschäft gemacht habe, namentlich auch daun, wenn der Verdacht der Feigheit aufkommen konnte; denn feige Furcht war für den Germanen das Schimpflichste, was man ihm vorwerfen konnte. So wurden Streitigkeiten noch lange mit Vorliebe durch die Waffen ausgetragen. Das ganze Mittelalter ist von dieser Fehdelust erfüllt, der endlich der ewige Landfrieden einen Damm entgegensetzen wollte.
Aber auch mit dem Rechtsgang war zuweilen der Kampf verbunden. Nicht in allen Fällen war der Eid das ausreichende Beweismittel; denn die Aussagen der Eidhelfer widersprachen sich auch zuweilen. Dann wurde in den Rechtsgang der Zweikampf eingefügt und eine Frage, die durch den Eid nicht genügend geklärt werden konnte, durch die Waffen entschieden, worauf das Rechtsverfahren seinen Fortgang nahm. Später wurde der Zweikampf auch allem zur Entscheidung von Streitfällen angewandt und der Ausgang als Gottesurteil angesehen.
e) Volksversammlung. Die Rechtspflege lag, wie wir gesehen haben, in der Hand der Volksversammlung. Sie entschied zugleich über alle öffentlichen Angelegenheiten. Mochten die rechtlichen und staatlichen Verhältnisse in den einzelnen Völkerschaften auch voneinander abweichen, sie bildete überall die oberste Behörde und die Grundlage der Verfassung. Man nannte sie auch mahal, mahl, Thing oder Ding und den Versammlungsort auch Dingoder Malstätte. Diese war meist die im Freien, im gelichteten
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Zuweilen stellte sich jener sofort an die Spitze der bewaffneten Volksgemeinde, die unmittelbar vom Ding begeistert in den Kampf zog.
Oft schloß sich aber an die Beratungen des Abends in einer Halle oder im Nebenraum des Volksheiligtums ein zwangloses Zusammensein bei Bier und Schmaus au. Dann wurden private Angelegenheiten besprochen, zwischen Feinden kam manche Aussöhnung zustande, manches Ehebündnis wurde verabredet und vorberaten und mancher Handel abgeschlossen; denn unsere Märkte haben ihren Ursprung in den alten Volksversammlungen und Opferfesten, zu denen Vieh und Waren verschiedener Art herbeigebracht und getauscht wurden. So boten die Volksversammlungen Gelegenheit, persönliche Beziehungen aller Art anzuknüpfen, und sie waren für diese Zwecke ein dringendes Bedürfnis, da man einen Verkehr durch schriftliche Nachrichten noch nicht kannte. Aber nicht immer blieb es bei friedlicher Rede; zuweilen erhitzten sich im Widerstreit der Meinungen die Gemüter, so daß es zu schmähenden Worten und sogar zum Kampf mit den Waffen kam; aber am nächsten Tage sprach man dann in nüchterner Ruhe noch einmal durch, was man verabredet hatte, um sich der Tragweite der Entschließungen bewußt zu werden.
f) Nachklänge in der Sprache. An die Rechtspflege und die Anfänge staatlicher Ordnung bei unsern Vorfahren werden wir noch heute durch Ausdrücke unserer Sprache erinnert. Da man nicht schreiben konnte, suchte man Rechtssätze in eine Form zu bringen, die sich dem Gedächtnis leicht einprägte. Dazn eignete sich der Stabreim, der darin besteht, daß mehrere Wörter mit gleichem Anfangsbuchstaben vereinigt werden. Man baute damit einen Vers oder Spruch auf. Man denke an Friede und Freundschaft, Herz und Hand, Haus und Hof, Kind und Kegel, Land und Leute, Leib und Leben, Mann und Maus, Schutz und Schirm, Stock und Stein, Wind und Wetter, Zittern und Zagen.
Bann stammt von einem althochdeutschen Worte baunan( d. H. unter Strafandrohung gebieten. Dies taten die Priester oder Gaufürsten, wenn sie die Versammlung eröffneten und Stille oder den Dingfrieden geboten. Sie besaßen das Bannrecht, hatten also den geordneten Verlauf zu überwachen. Damit hängt zusammen Heerbann — Heeresausgebot. Später verband sich mit Bann die Bedeutung der Strafe selbst; der päpstliche Bann war
Pätz old, Lehrbuch der Geschichte. I. Seit. 4
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wesentlichen auf den König über. Daher hörten die Volksversammlungen teilweise ganz auf, namentlich im romanischen Gallien, wo die Germanen mit den Römern gemischt waren; im germanischen Nordosten (Austrasieu) bestanden sie zwar fort, aber nur als Heerschau im März, als Märzseld, womit sehr oft die Einleitung von Feldzügen verbunden war. Auf den König ging die Gerichtshoheit, das Recht der Gesetzgebung und der Landesverwaltung über. Daher wurden die Vorsteher der einzelnen Gaue nicht mehr vom Volke gewählt, sondern vom König ernannt, waren also Beamte. Somit entstand im Frankenreiche, namentlich in Anlehnung au römische Verhältnisse, das germanische Beamtentum. Der König war oberster Kriegsherr, er erließ das Heeresaufgebot. Obenan stand dabei sein stattliches Gefolge. Aus ihm wählte er seine Beamten, die daher ihm verantwortlich waren.
Mit der Erweiterung seiner Macht beanspruchte der König auch besondere Einkünfte. Neu war besonders der Grundsatz, daß alles noch nicht in Privatbesitz übergegangene herrenlose Land, ebenso das durch Eroberungen gewonnene Gebiet Eigentum des Königs sei. Er stattete damit seine zahlreichen Gefolgsleute aus, die daher im eroberten romanischen Gallien als Gruudherreu saßen, und tu ueu besiedelten Gebieten entstanden jetzt im Gegensatz zu den früheren Sippeusiedelungen die fränkischen Herrensitze, Die Orte, die sich aus ihnen entwickelt haben, lassen sich namentlich an der Enduug heim erkennen, man findet sie am Rhein und im elsässischeu Gebiet auffallend häufig. In dieser Landübertragung durch deu König ist der Anfang des Großgrundbesitzes zu suchen. Viele der Gefolgsleute gelaugten daher teils als königliche Beamte, teils als Grundherren zu bedeutendem Ansehen, und so entwickelte sich aus ihnen ein neuer Adel, der im Gegensatz zum alten Volksadel als Dienstadel bezeichnet wird. Diese Herren zog der König bei der Verwaltung des Landes sehr oft zur Beratung hinzu, so daß ihre Versammlung gleichsam an die Stelle der Volksgemeinde trat. Hierin ist der Ursprung der mittelalterlichen Hoftage, die Versammlung der „Großen" zu suchen.
Neben dem Kronland kamen dem Könige auch Einkünfte in Form von Abgaben zu. Diese Einrichtung übernahm man ebenfalls von den Römern; denn was in Gallien bisher der römische Staat gefordert hatte, erhob nunmehr der Frankenkönig, nämlich vom Besitz die Grundsteuer und von der üb-
Patzold, Lehrbuch der Geschichte. I. Teil. 7
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nicht mehr Ring und Stab, die Zeichen des Amtes, sondern nur das Zepter, das Sinnbild des weltlichen Besitzes. Die Gewählten empfingen also ihr Amt aus der Hand der Kirche, die weltlichen Hoheitsrechte aber vom Kaiser. Die Belehnung durch diesen hatte in Deutschland vor der kirchlichen Weihe, in Italien 6 Wochen nach derselben zu erfolgen. Es konnte also in Deutschland kein Bischof oder Abt gewählt und in sein Amt eingeführt werden, wenn die kaiserliche Investitur verweigert wurde. Auch in Italien wurde die Weihe nicht vollzogen, bevor man nicht von der kaiserlichen Bestätigung Gewißheit hatte. So war der wesentliche Teil des Jnvestitnrrechts dem Kaiser verblieben, mir eine andere Form gewählt. Damit behauptete sich der Staat neben der Kirche, und die Weltherrschaftsideen Gregors gelangten nicht zur Verwirklichung.
22. Das deutsche Königtum*
a) Stellung des Königtums. Der deutsche Einheitsgedauke oder das nationale Bewußtsein gewann int Mittelalter nur langsam an Boden. Die altgerntanische Stammesgliederung wirkte im deutschen Volke lange nach. Darum fand das Königtum int Volksempfinden kein rechtes Verständnis; man war eher geneigt, sich den mächtigen Großen des Stammes, den Grafen und Herzogen, anzuschließen als dem König, der in der Ferne lebte und deffen Bedeutung schwer erkannt wurde. Daher kam der König gewöhnlich nur in seinem Stamme recht zur Geltung, im übrigen trat eine gewisse Abneigung oder wenigstens Gleichgültigkeit gegen ihn zutage. Die zeitgenössischen Schriftsteller brachten sie in nmnchent harten Urteil über einzelne Herrscher zum Ausdruck und scheutett sich sogar nicht, Tatsachen zu Ungunsten der Könige zu verdrehen. Sehr hart wurde z. B. von seinem eigenen Volke Heinrich Iv. beurteilt, man nannte ihn einen fluchwürdigen und verstockten Feind des Friedens, einen Verächter der göttlichen Gerechtigkeit. Seine Not, seine Bedrängnis schilderte man ntit auffallender Breite, kaum hatte man ein Wort des Mitleids für ihn. Als besonders hartnäckige Gegner des Königtums erschienen wiederholt die Herzöge und Fürsten, sie hemmten bei ihrem Streben nach Selbständigkeit die Erstarkung der nationalen Einheit. Kant es zu Empörungen, so war das Volk oft geneigt, sich auf die Seite der Aufrührer zu
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Extrahierte Personennamen: Gregors Heinrich_Iv Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Deutschland Italien
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Anschauungen das ganze Volk; doch wurde es nur von den Großen, den geistlichen und weltlichen Fürsten, ausgeübt. Nach einer Vorbesprechung erfolgte die feierliche Stimmenabgabe. Dabei wurde es Brauch, daß einzelne Fürsten zuerst, also vor anderen, ihre Stimme abgeben durften. Die übrigen und das anwesende Volk bekundeten dann durch Zurufe ihre Zustimmung. Infolgedessen gewannen jene den maßgebendsten Einfluß aus die Königswahlen und wurden später die Wahl- oder Kurfürsten, die allein das Wahlrecht ausüben durften. Nach dem Verfassungsgesetz der „Goldenen Bulle" von 1356 waren es sieben, nämlich die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier, der rheinische Pfalzgras, der Herzog von Sachsen-Wittenberg, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen.
Zur Wahl zogen die Fürsten in der Regel nach dem Rheinlande, später wurde sie ausschließlich in Frankfurt ct. M. vorgenommen. Die Krönung erfolgte in Aachen. Der Erzbischof von Köln, dessen Vorrecht sie war, führte den König zum Stuhle Karls d. Gr., der sich im Münster befand. Er erhob sich auf einem steinernen Unterban, ztt dem fürtf Stufen hinaufführten. Der Herrscher war also bei der Thronbesteigung weithin sichtbar. Der feierlichen Handlung folgte ein festliches Kronungsmahl.
c) Das deutsche Königtum und die römische Kaiserwürde. Der
deutsche Kötttg war seit Otto I. zugleich Herrscher von Italien und römischer Kaiser. Doch erlangte er diese Würde erst durch päpstliche Krönung. Wenn er nach Beendigung dieser feierlichen Handlung mit dem Papste das Gotteshaus verlassen hatte, hielt er diesem altem Herkommen gemäß die Steigbügel. Das war ursprünglich eiue Ehrenbezeugung, die sich aus dem Brauch ent-wickelt hatte, daß man bei Prozessionen das Pferd des römisch eit Bifchofs nicht allein gehen ließ, sondern führte. Aus der Ehren-erweistmg leiteten aber später die Päpste ein Recht ab und forderten sie als Dienst. Ihre Ansprüche gingen sogar dahin, daß sie aus dem Rechte der Krönung die Befugnis folgern wollten, die Wahl des deutschen Königs zu bestätigen. Diesen Anmaßungen traten die deutschen Fürsten 1338 im Kurverein zurhense entgegen und setzten fest, daß auch die Kaiserwürde von Gott sei, daß der von ihnen gewählte König zugleich römischer Kaiser sei und der Bestätigung durch den Papst nicht bedürfe.
Pätz old, Lehrbuch der Geschichte. I. Teil. 12
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Extrahierte Personennamen: Karls Otto_I. Gott Pätz
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der Sippe, und durchs Los wurde jedem sein Teil zum Anbau zugewiesen. Wie im Frieden standen die Sippgenossen auch im Kriege zusammen, da war die Sippe die kleinste Heereseinheit. Auch über Eheverbindungen verhandelte sie. Ebenso wurden Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener Sippen durch die beiden beteiligten Sippen entschieden; denn durch eine dem einzelnen zugefügte Beleidigung wurde die ganze Sippe getroffen. Darum stand nicht der Kläger dem Angeklagten gegenüber, sondern Sippe gegen Sippe. War aber in solchen Fällen die Beilegung des Streites auf gütlichem Wege nicht möglich, so konnten nur die Waffen entscheiden; denn ein über den Sippen stehendes höheres Gericht gab es in der ältesten Zeit nicht. Infolgedessen bekriegten sich die Germanen so oft untereinander. Dem einzelnen gewährte aber die Sippe Schutz in allen Angelegenheiten, und man sollte meinen, daß deshalb die zugehörigen Glieder vor allem den Frieden unter sich zu erhalten gesucht hätten. Leider blieben aber auch innerhalb der Sippe die heftigsten Streitigkeiten nicht aus. Die bekannten Ursachen der Zwietracht, Habgier und Selbstsucht, waren auch den Germanen nicht fremd. Zwei streitende Gefippen aber dursten nicht zu den Waffen greifen. Das Oberhaupt der Sippe lud vielmehr die Männer zusammen, damit sie das Urteil fällten, und dem mußten sich die Streitenden unterwerfen, denn Unfriede innerhalb der Sippe sah man als das größte Unglück an. Aber bei dem ausgeprägten Selbständigkeitsgefühl ward es dem Germanen oft gar schwer, sich unter den Urteilsspruch zu beugen. Dann verließ er trotzig seine Heimat, sagte sich von der Sippe los und ging in die Fremde oder trat in römische Dienste. Dieses Freiheitsgefühl des einzelnen, die Abneigung gegen den staatlichen Zusammenschluß sind lange ein Charakterzug unsers Volkes geblieben.
c) Völkerschaft und Völkerbündnisse. Dennoch machte sich auch frühzeitig das Bedürfnis größeren Zusammenschlusses geltend, namentlich zur Sicherung gegen elementare Gewalten und zum Schutz gegen feindliche Menschen. So entstand der Verband mehrerer Sippen, der militärisch auch als Hundertschaft erschien. Bei solchen Vereinigungen waren wahrscheinlich gegenseitige durch Verheiratung geknüpfte Beziehungen maßgebend. An die Stelle der Sippenverbände trat später, als die Germanen zu seßhaftem Ackerbau übergingen, der Gemeindeverband; denn das Nebeneinanderwohnen nötigte zu gemeinsamer Erledigung verschiedener Auf-
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Anklage verteidigen konnte, war ein wesentliches Beweismittel; denn der Eid galt als heilig, und man hielt es für unmöglich, daß der freie Germane unter Anrufung der Götter lügen könne. Doch fürchtete man auch die Gefahren dieses weitgehenden Vertrauens. Darum durfte nur der unbescholtene Volksgenosse schwören, und er mußte auch den übrigen Beteiligten bekannt sein. Immerhin bedurfte aber der Eid noch der Bekräftigung dnrch andere Volksgenossen, die sich so für die Glaubwürdigkeit der befchworeueu Aussagen verbürgten. Man nannte sie Eidhelfer. Ihre Zahl, die der Richter sestsetzte, war je nach der Schwere des Vergehens verschieden groß. Sie schwuren nicht als Zeugen der Tat, die zur Anklage stand, denn keiner war vielleicht bei Verübung des zu bestrafenden Verbrechens irgendwie beteiligt gewesen, sie gaben nur Auskunft über die Gesinnung des Schwörenden und stellten gleichsam ein Leumundszeugnis über ihn aus. Diese Eidhelser waren natürlich immer die nächsten Nachbarn und Freunde, die jenen genau kannten, nämlich die Gesippen; sie waren in erster Linie zur Eidhilfe verpflichtet. Wenn dies unsern heutigen Anschauungen, nach denen die Verwandten nicht als einwandfreie Zeugen gelten, auch zuwiderläuft, so ist doch zu bedenken, daß die Eidhilfe nicht leichtsinnig geleistet wurde; denn bei einem Falscheid traf den Eidhelfer oft die gleiche Strafe wie den Meineidigen selbst. Der geleistete Eid gab die Entscheidung. Darnach hatten die anwesenden Freien das Urteil zu ftnden, das vom Leiter der Gerichtsverhandlung verkündet wurde.
c) Strafen. Da Frevel gegen die Götter deren Zorn auf das gesamte Volk herabbeschwören und daher Mißwachs, Seuchen und Niederlagen zur Folge haben mußten, so wurden solche Vergehen mit dem Tode bestraft, d.h. der Verbrecher wurde dem verletzten Gotte als Sühnopfer dargebracht. Ebenso traf den Landesverräter, den Heeresflüchtigen, den gemeinen Mörder die Todesstrafe. Sie wurde durch Ertränken, meist aber durch Erhängen mittelst der Weidenschlinge vollzogen. In milderen Fällen verhängte man über deu Verbrecher die Friedlosigkeit, indem man ihn als Volksfeind und Friedensbrecher außerhalb des öffentlichen Schutzes stellte und für vogelsrei erklärte. Jedermann konnte ihn töten oder als Sklaven verkaufen. Nur durch schleumge Flucht in den dichten Wald oder in die Fremde vermochte er sich zu retten; aber sein Leben glich dem eines gehetzten Tieres.
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Walde liegende geweihte Opferstätte. Alle Freien waren zur Teilnahme an den Versammlungen verpflichtet, und sie galten im Leben der Germanen als Festtage. Aus der Dingstätte fühlte sich jeder als gleichberechtigtes Glied der Gesamtheit, auf der Dingstätte erhielt der Jüngling die Waffen und wurde damit in die Heeresgemeinde aufgenommen, auf der Dingstätte wurde manches Ehebündnis geschlossen. Außer den zwanglosen Zusammenkünften der Gefippen zeichneten sich als Festtage namentlich die Gauversammlung und die große Volksversammlung der ganzen Völkersckast aus. Die Volksgemeinde des Gaus war die Hüterin des inneren Friedens, weswegen sie als Volksgericht namentlich über die inneren Streitigkeiten entschied. Doch beschloß sie auch über Bündnisse und kriegerische Unternehmungen. Vorwiegend politischer Art aber waren die großen Volksversammlungen. Im Mittelpunkte ihrer Beratungen standen große Fragen, Abschluß von Verträgen, Kriegszüge, Wahl von Gaufürsten und Heerführern.
Die ordentlichen Versammlungen eines Gaus fanden regelmäßig zu Neu- oder Vollmond statt, die größeren seltener, zur Frühlings- und zur Herbstzeit und zur Zeit der Sonnenwende. Doch kamen nicht alle auf den bestimmten Tag, zuweilen vergingen zwei oder drei Tage, ehe alle beisammen waren und die Versammlung ihren Anfang nehmen konnte. Bei dringlichen Veranlassungen wurden auch besondere Versammlungen außer der Zeit angesagt, wobei der Meldestab von Gehöft zu Gehöft wanderte.
Beim Beginn der Verhandlungen gebot der Priester Stille, den Dingfrieden; dann stand die Versammlung unter dem Schutze der Götter, und Friedensstörung war streng verboten. Bei der Verhandlung zu sprechen, war jedem erlaubt, doch redeten meist nur die Vornehmen, die Angesehenen, die Adligen und Fürsten. Sie hatten gewöhnlich eine Vorbesprechung abgehalten und trugen ihre Meinung den versammelten Freien vor. So war man sich z. V. über die Wahl eines Herzogs in der Regel vorher schon einig. Die Versammlung gab dann ihre Zustimmung durch Zusammenschlagen der Waffen und den Widerspruch durch Murren zu erkeuueu. So verliefen die Verhandlungen meist ohne Lärm und Streit. Wenn aber der erwählte Fürst oder Herzog auf den Schild erhobeu wurde, dann wurde es in der Menge lebendig, und in lauten Zurufen tat sich die Stimmung des Volkes kund.
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mußten außerhalb derselben bleiben. In der Mitte befand sich eine Erhöhung für den Stuhl des Richters, an feiner Seite standen Bänke für die Schöffen. Für öffentliche Versammlnngeu waren die Kirchen vielfach an die Stelle der Dingstätten getreten, doch durften sie für Gerichtsverhandlungen nicht benutzt werden.
An den Grenzen des Reichs richtete Karl znr Landesverteidigung größere Verwaltungsbezirke, die Marken, ein und stellte Markgrafen an ihre Spitze.
Um die Tätigkeit aller Verwaltungsbeamten zu überwachen, fchuf er das Amt besonderer „Königsboten", der Send grasen. Er wählte dazu Männer, die längere Zeit an seinem Hofe gelebt hatten und mit seinen Plänen vertraut waren. Immer bereisten zwei, ein geistlicher und ein weltlicher Sendbote, gemeinsam das Land; denn die kirchlichen Angelegenheiten sollten ebenso wie die weltlichen mit größter Gewissenhaftigkeit behandelt werden. Die Sendboten hatten, wie es im Kapitulare von 802 heißt, den heiligen Gotteshäusern, den Armen, Unmündigen und Witwen und dem ganzen Volke unverkürzt Gesetz und Gerechtigkeit zu gewähren.
Der Kaiser als oberster Gerichtsherr schlug in der ersten Zeit seiner Regierung in verschiedenen Landesteilen seine Residenz auf und wohnte auf seinen Gütern, den Pfalzen. Dort hielt er selbst das Hofgericht. In seiner Abwesenheit waren die Pfalz grafen seine Stellvertreter. In der Rangordnung der Gerichtsbehörden folgten also auseinander Gaugrafen. Sendgrafen, Pfalzgrafen und der Kaiser selbst. Durch eine geordnete Rechtspflege wollte Kärl die alte germanische Fehdelust und das Recht der Selbsthilfe eindämmen. Er verbot daher dem freien Manne, im Frieden Waffen zu tragen, und verorduete, nicht Blutrache zu üben, sondern das Wergelb anzunehmen. Dennoch vermochte er bic Lust am Kampf und bic Ungebnnbenheit nicht auszutilgen.
f) Wirtschaftliche Verhältnisse. Für bcrt ziemlich umfänglichen Hofhalt bedurfte Karl bedeutender Einnahmen. Sie bestanden aber nicht in Abgaben, die das Volk wie in der Jetztzeit als Steuern entrichtete. Das wäre gegen die noch geltenden altgermanischen Anschauungen gewesen. Dafür verfügte Karl d. Gr. über einen umfangreicheu Grundbesitz. Er war also wie die germanischen Fürsten der ältesten Zeit zugleich Landwirt und war als solcher nicht weniger groß wie als Reichsfürst. Der königliche Grundbesitz erstreckte sich über das ganze Land und war mit der
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl_d Karl